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Trauer um den Ewigkeitssonntag

Ewigkeitsonntag

Ewigkeitsonntag

Liebe Gemeinde, die schlechte Nachricht gleich vorweg: Der Ewigkeitssonntag wird in diesem Jahr keine öffentliche Veranstaltung sein. Ich möchte nicht schreiben, dass er entfällt, denn unser Totengedenken wird niemals einfach „ausfallen“. Allerdings machen uns die zunehmend schärfer werdenden Maßnahmen ein öffentliches Totengedenken nicht möglich. Wir hatten ursprünglich geplant einen großen Gottesdienst auf dem Friedhof zu veranstalten. Leider ist uns dies unter den jetzigen Corona- Regelungen nicht möglich.

Wir bieten den Trauerfamilien die Möglichkeit am Ewigkeitssonntag zur Ev. Kirche in Nieder- Wöllstadt zu kommen. Dort werden vor der Kirchentür ein Tisch mit Trauerkerzen, eine kurze schriftliche Ansprache von mir und eine Gedenktafel aufgebaut sein. Gerne können die Trauerfamilien dort eine Kerze für ihren Verstorbenen mitnehmen, auf den Friedhof bringen und den Ewigkeitssonntag dort privat begehen.

 

Wer mich kennt, der weiß, dass ich fast jeder Situation etwas Positives abgewinnen kann. Viele Rückschläge im letzten Jahr haben sich im Nachhinein als Segen entpuppt. Durch die Coronabedingungen konnten schnell und unglaublich kreativ neue Formen des Gottesdienstes, der Gemeindeleitung und der unterschiedlichen Angebote unserer Gemeinde gefunden werden. Durch viele entfallene Veranstaltungen wurde neue Sehnsucht geweckt. Durch die Isolation haben viele Menschen neu entdeckt, wer sie sind, wenn ihr Alltag und äußere Zwänge sie nicht mehr zusammenhalten und haben überraschende Entdeckungen gemacht.

 

Doch am Entfall dieses Ewigkeitssonntags gibt es für mich nichts Positives zu entdecken. Diejenigen von Ihnen, die in diesem Jahr einen geliebten Menschen begraben mussten - z.T. unter extrem eingeschränkten Bedingungen - denen hatte ich immer eine Hoffnung geben können: „Irgendwann ist Ewigkeitssonntag und dazu laden wir alle herzlich ein.“

Nun machen es die Umstände es nicht möglich, dass wir dieses Versprechen einhalten können. Natürlich werden wir zum Totengedenken 2021 unserer Verstorbenen aus 2020 noch einmal ganz bewusst gedenken. Aber bis dahin ist es noch weit.

 

Es gibt für mich kaum etwas, was ich dazu sagen kann, außer: Es schmerzt mich mehr, als ich je hätte für möglich halten können…

 

Der Verlust eines geliebten Menschen; gepaart mit der zerstörerischen Einsamkeit, die in diesem Jahr über so vielen gelegen hat, wie ein dunkler Schatten; die ungehörte Trauer - all dies hätte am Ewigkeitssonntag einen Ort gehabt, der uns nun genommen wurde.

 

Ich selbst hatte große Hoffnungen für diesen letzten Sonntag im Kirchenjahr. Ich hatte gehofft, dass wir mit unseren Toten auch dieses Jahr 2020 zur Ruhe hätten tragen können. Wir alle hätten diesen Abschluss gut gebrauchen können.

 

Ich habe keine Worte, die diesen Verlust wirklich besser machen. Keinen weisen Volksspruch, der wirklich trösten könnte. Ich bin selbst vom Ausfall tief getroffen und kann Ihnen nur das sagen, was mir selbst in diesen Situationen am meisten hilft: Wenn wir keinen Ort, keinen Raum, keine Menschen haben, mit denen wir dunkle Zeiten wirklich teilen können - dann bleibt uns nichts anderes, als unseren Kopf in den Nacken zu legen und mit all dem, was uns bewegt Worte gen Himmel zu schicken. Zu demjenigen, der auch dieses unser Lebensjahr in seinen Händen hält und von dem wir den Trost erhoffen, der uns nun verwehrt geblieben ist.

In diesem Sinn kann ich Ihnen in meiner geteilten Trauer für Sie nichts Weiteres schenken, als das Gebet mit dem ich jeden Tag diese Zeit durchlebe. Möge es auch ihr Gebet werden:

 

„Vater im Himmel, in diesem Jahr wurde uns mehr genommen, als wir je hätten für möglich halten können.

Wir haben Dinge verloren, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie vermissen würden. Aber wir haben auch Dinge und Menschen verloren, die wir jeden Tag geliebt, geschätzt und geachtet haben.

Wo ist deine Zuversicht Gott in dieser Zeit? Wo nur ist die Hoffnung auf dein kommendes Reich in einer Zeit, in der wir von allem abgeschnitten werden, das uns die Kraft gibt an etwas Gutes zu glauben; an etwas Gutem in uns zu arbeiten?

Gott, am Ende dieses Kirchenjahres wenden wir uns dir zu. Als deine Gläubigen, als deine Kinder, als diejenigen, die im Angesicht der Welt manchmal verzweifeln.

Wenn es je eine Zeit gegeben hat, in der wir dich gebraucht haben, dann ist es diese, Gott.

Wenn es je eine Zeit gegeben hat, in der deine Versprechungen wahr werden müssen, dann ist es diese Gott.

Wenn es je eine Zeit gegeben hat, in der wir in deinem Namen beten, deine Gegenwart benötigen und deine liebevolle Hand auf unserem Herzen spüren wollen, dann ist es diese Gott.

Wir nehmen dich beim Wort und treten als zwei oder drei oder als ganze Gemeinde vor dich.

Wir erwarten deine Gegenwart: In unserer Trauer, unserer Furcht, unserem Zorn wenden wir uns dir zu. Und wir hoffen, dass du uns nicht nur erhörst, sondern den Schmerz über diese Zeit und die zahlreichen Verluste von uns nimmst.

Wir erwarten von dir Gerechtigkeit für all das Unrecht das Geschehen ist.

Wir erwarten von dir ein friedvolles Ende dieser Zeit.

Du bist unser Gott. Auf dich hoffen wir.

Amen.“

Ihr Pfarrer,

Simba Burgdorf


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